POWERLINK wurde von der IEEE als internationaler Standard IEEE61158 verabschiedet. Es ist das einzige Industrial-Ethernet-Protokoll, das diesen Status erreicht hat. Dietmar Bruckner, Technical Manager Open Automation bei B&R, erklärt uns im Gespräch, welche Vorteile die Standardisierung mit sich bringt und wie der Standardisierungsprozess abgelaufen ist.
Herr Bruckner, welche Bedeutung hat die Standardisierung von POWERLINK als IEEE61158?
Dietmar Bruckner: Die Standardisierung ist ein Alleinstellungsmerkmal. Sie wird die Verbreitung von POWERLINK weiter beschleunigen. Die Implementierung wird leichter und die Kosten dafür gesenkt. Zugleich ist es ein Zeichen dafür, dass die Bedeutung von Industrial Ethernet weiter zunimmt. In den Zeiten des Industrial Internet of Things und von Industrie 4.0 wird Echtzeitkommunikation immer wichtiger.
Was unterscheidet Industrial Ethernet von herkömmlichem Ethernet?
Bruckner: Der Determinismus und die semantische Beschreibung der ausgetauschten Daten. Wenn wir mit unseren Büro-Computern in einem schnellen IT-Netzwerk hängen, kann zwar der Eindruck entstehen, dass Informationen quasi in Echtzeit verschickt und empfangen werden – dem ist aber nicht so. Wenn viele Anfragen gleichzeitig an das Netzwerk geschickt werden oder mehrere Netzwerkteilnehmer sehr große Dateien verschicken, wird das Netz langsamer und kann sogar zusammenbrechen. Dies ist teilweise zwar ärgerlich, letztendlich aber nicht gravierend. In der Industrie haben solche Datenstaus ganz andere Konsequenzen.
Haben Sie ein Beispiel?
Bruckner: Stellen Sie sich eine Autoproduktion vor, in der ein Roboter eine Windschutzscheibe in eine Karosserie einsetzen soll. Es gibt Sensoren, die eine Rückmeldung an den Roboter geben, wie weit er sich noch bewegen muss, damit die Windschutzscheibe korrekt eingesetzt ist. Kommt die Stopp-Information vom Sensor mit einer Sekunde Verzögerung beim Roboter an, oder kann der Roboter die Stopp-Information semantisch nicht verarbeiten, ist die Windschutzscheibe schon zerbrochen. Ist ein Mensch in der Nähe, können die Folgen noch viel gravierender sein. Daher ist es unerlässlich, dass alle Daten, die zur Steuerung einer Maschine benötigt werden, garantiert in einem klar definierten Zeitraum ankommen und von allen Teilnehmern im Netzwerk verstanden werden.
Wie wird das ermöglicht?
Bruckner: Dafür sind etliche Mechanismen nötig. Zum Beispiel müssen die Teilnehmer ein einheitliches Zeit- und Datentypverständnis haben und zeitkritische Daten müssen zuverlässig in einem exakt definierten Zyklus übertragen werden. Diese und viele weitere Funktionen erfüllen die Industrial-Ethernet-Protokolle.
Womit wir wieder bei POWERLINK landen. Wie kam es nun, dass POWERLINK von der IEEE standardisiert wurde?
Bruckner: Die Echtzeitkommunikation war lange Zeit ein weißer Fleck bei der IEEE. Daher habe ich 2014 begonnen, in der IES dafür zu werben, das zu ändern. Die IES (Industrial Electronics Society) ist eine Teilgesellschaft der IEEE, des weltweit größten Berufsverbands für Elektrotechniker in der Industrie. Als sogenannter Sponsor hat die IES eine Arbeitsgruppe innerhalb der IEEE beantragt, um einen Standard für die Echtzeitkommunikation zu verabschieden.
Wie können wir uns eine solche Arbeitsgruppe vorstellen?
Bruckner: Wir hatten 38 Teilnehmer aus der ganzen Welt, teils von großen Industrieunternehmen oder Beraterfirmen, teils von Universitäten oder Forschungseinrichtungen. Wir haben einen Entwurf der Spezifikation eingebracht, der ausführlich diskutiert wurde. Die Kriterien der IEEE sind dabei sehr streng. Es geht nicht nur um technische Inhalte, auch das Zusammenwirken mit anderen IEEE-Standards, Aufbau, Formatierung und sogar Rechtschreibung wurden mehrfach geprüft und gegebenenfalls angepasst.
Wurden auch andere Protokolle außer POWERLINK evaluiert?
Bruckner: Nein. Die Arbeitsgruppe war sich sehr schnell einig, dass POWERLINK die Anforderungen der IEEE perfekt erfüllt. POWERLINK ist nicht nur technologisch hervorragend, sondern auch zu 100% kompatibel mit dem Ethernet-Standard. Zudem liegen keine privaten Rechte auf POWERLINK. Die Technologie ist Open Source.
Wann hat die Arbeitsgruppe ihre Arbeit abgeschlossen?
Bruckner: Dafür waren mehrere Schritte notwendig. Erst gab es innerhalb der Arbeitsgruppe einige Abstimmungsrunden. Danach hat sich innerhalb der IEEE eine Abstimmungsgruppe formiert, die wiederum in zwei Runden technisch abgestimmt hat. Anschließend wurden der Entwicklungsprozess und formale Anforderungen geprüft. Da gibt es innerhalb der IEEE einen klar definierten Ablauf. Dieser Prozess fand in der ersten Jahreshälfte 2017 statt. Im August hat die IEEE die finale Spezifikation veröffentlicht. Seitdem ist POWERLINK offiziell der IEEE-Standard 61158.
Welche Vorteile hat diese Standardisierung für Maschinen und Anlagenbauer?
Bruckner: IEEE-Standards gelten mindestens für zehn Jahre. Die Standardisierung bringt also eine große Zukunftssicherheit für die Anwender. Zudem ist die Kompatibilität aller POWERLINK-Geräte untereinander garantiert, wenn sich die Hersteller an den Standard halten. Übrigens gilt diese Kompatibilität auch für POWERLINK und OPC UA. Eine entsprechende Companion Specification hat die Ethernet POWERLINK Standardization Group Anfang des Jahres 2017 veröffentlicht.
Gibt es noch weitere Vorteile?
Bruckner: Ich gehe davon aus, dass viele Hersteller von Micro-Controllern für Ethernet-Hardware sukzessive POWERLINK implementieren werden. Hersteller von Geräten für die Fabrikautomatisierung werden also von mehr und günstigeren Ethernet-Controllern mit POWERLINK profitieren. Letztlich reduzieren sich dadurch auch die Kosten für Maschinen- und Anlagenbetreiber, die POWERLINK einsetzen.