Wer kennt sie nicht, die Cheops-Pyramiden, das 7. Weltwunder der Antike? Doch das Berner CHEOPS steht für CHaracterising ExOPlanet Satellite und bezeichnet ein gemeinsames Projekt des Center for Space and Habitability, kurz CSH, der Universität Bern und der European Space Agency, kurz ESA. Das satellitengetragene Teleskop CHEOPS wird in einigen Jahren wertvolle Informationen zum Auffinden von potenziell belebten Planeten liefern. Beim automatisierten Testen des Satelliten auf Weltraumtauglichkeit kommt modernste Technologie aus dem Hause B&R zum Einsatz.
Die zuletzt von der Schweiz aus beobachtbare Sonnenfinsternis im März 2015 ist noch in frischer Erinnerung. Eine Sonnenfinsternis entsteht immer dann, wenn der Mond sich zwischen Erde und Sonne schiebt. Ist die Sonnenfinsternis total, verdeckt der Mond rund 70% der Sonnenfläche. Das Gleiche passiert, wenn ein Planet sich zwischen die Erde und einen Stern schiebt. Dabei wird weit unter 1% der Fläche des Sternes verdeckt. Daraus ergibt sich ein winziger Unterschied in der Lichtmenge. Die Messung dieses Lichtunterschiedes soll mit dem Weltraumteleskop CHEOPS gelingen – aus diesem Unterschied lässt sich der Durchmesser des Planeten berechnen.
Bevor der neue Satellit ins All geschickt wird, muss er unter Weltraumbedingungen getestet werden. Am Center for Space and Habitability in Bern entsteht deshalb in enger Zusammenarbeit mit B&R ein vollautomatisches Thermal-Vakuum-Testlabor.
Das CHEOPS-Projekt
Derzeit arbeiten am CSH in Bern rund 20 Mitarbeiter unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Willy Benz und dem Gesamtprojektleiter Dr. Christopher Broeg an Entwicklung, Bau und Test von CHEOPS. Mit dem CHEOPS-Projekt liegt erstmals die Gesamtverantwortung für ein Satellitenprojekt in Schweizer Händen. Am Projekt beteiligt sind verschiedene Hochschulen und Raumfahrtorganisationen. Die Deutsche Gesellschaft für Luft und Raumfahrt, kurz DLR, ist zusammen mit dem IWF (Institut für Weltraumforschung), in Graz/Österreich, beispielsweise für die elektrischen Subsysteme zuständig.
Untersucht werden sollen mit dem Weltraumteleskop bereits bekannte Planeten, die außerhalb unseres Sonnensystems um weit entfernte Sterne kreisen, sogenannte Exoplaneten. Die Informationen zu den Exoplaneten liefern im Vorfeld auf der Erde stationierte dopplerspektroskopische Untersuchungen. Mithilfe der mit CHEOPS ermittelten Planetengröße können künftig Rückschlüsse auf die Dichte des Planeten gezogen werden und damit auf seine Bestandteile wie Gas, Stein oder Eis. Auf diese Weise, so hofft man, können Planeten entdeckt werden, auf denen Leben potenziell möglich ist. Mit Teleskopen der Zukunft wird es vielleicht auch möglich, auf diesen potenziell belebten Planeten nach vorhandenem Leben zu suchen. Der Launch des CHEOPS-Satelliten ist für 2017 geplant.
Die Thermal-Vakuum-Kammer
Bevor der Satellit in seine Umlaufbahn gebracht wird, muss zunächst seine Weltraumtauglichkeit erwiesen sein. Denn im Weltraum ist der Satellit sehr rauen Bedingungen ausgesetzt. Das sind im Wesentlichen ein Vakuum von 10–7 mbar sowie Temperaturen im Bereich zwischen –80°C und +165°C, dem das Teleskop sowie der Trägersatellit standhalten müssen. Deshalb wurde an der Uni Bern eine Thermal-Vakuum-Kammer in Betrieb genommen, die die Bedingungen im Weltraum simuliert. Die Kammer ist 2 x 4 Meter lang und kann den Satelliten, bestehend aus der Plattform und dem Teleskop, gesamthaft aufnehmen.
Für die Tests in der Vakuum-Kammer müssen Vorpumpen, Turbopumpen, Shrouds mit Thermofluid, Huber-Thermostate, ein Solar-Simulator und Flüssigstickstoff-Radiatoren immer wieder mit neuen Einstellungen betrieben werden. Hinzu kommt, dass ein hoher Schutz der Testobjekte notwendig ist. Diese sind wertvoll – allein das Strukturmodell des Satelliten, das derzeit getestet wird, kostet rund 500.000 Franken (etwa 460.000 Euro).
Die Anforderungen
Die Thermal-Vakuum-Kammer ist in einem Reinraum untergebracht, was insbesondere für die empfindlichen Optiken notwendig ist. Jeder Zutritt zu diesen Reinraum geht unvermeidbar mit einer Verschmutzung der sehr reinen Luft einher und muss daher so weit wie möglich vermieden werden. Um den Zutritt zur Kammer weitestmöglich einzuschränken und die Testobjekte zu schützen, sollte die Testkammer automatisiert werden.
Bei der Auswahl der Automatisierungskomponenten waren hohe Zuverlässigkeit, Sicherheit, Sauberkeit und Flexibilität der Komponenten gefordert. Der Anschluss an ein übergeordnetes, bereits vorhandenes SCADA-System musste möglich und das System offen für künftige Entwicklungen sein. Eine wichtige Rolle bei der Wahl eines Partners für die Automatisierungslösung spielte außerdem ein guter Support und das Interesse an wissenschaftlichen Themen. Nach einer Evaluation verschiedener Anbieter fiel die Wahl auf B&R.
Das Testlabor
Wird die Thermal-Vakuum-Kammer eingeschaltet, muss zunächst das Vakuum generiert werden. Hierzu werden alle relevanten Ventile geöffnet und die große Vor-Vakuumpumpe eingeschaltet. Diese erzeugt ein Vakuum von 10-2 mbar. In der 2. Stufe generieren 2 Turbopumpen ein besseres Vakuum. Steht das Vakuum, werden die Temperaturen mittels Shrouds und Solar-Simulator generiert.
Rund 150 Temperatursensoren in der Kammer liefern Informationen über die Temperaturverteilung in der Kammer und auf dem Testobjekt. Wird das Testobjekt zu heiß, muss die Temperatur gesenkt und ein Verglühen oder eine Beschädigung des Satelliten verhindert werden. Nun können Verformungen des Testobjektes durch die grossen Temperaturunterschiede geprüft werden. Ein Beispiel: Die Spiegel des Teleskops sind aus Glas und werden sich nicht genauso ausdehnen wie das Trägermaterial. Dies kann zu Beschädigungen führen. Daher muss zunächst gemessen werden, wie sich die Umgebung des Spiegels bei Weltraumbedingungen verformt und welche Gegenmassnahmen wirksam ergriffen werden können.
Auch auf der äußeren Hülle der Thermal-Vakuum-Kammer wird die Temperatur überwacht. Die Vakuum-Kammer ist auf der Außenhülle mit einer Heizung ausgestattet, die bei Bedarf dafür sorgt, dass sich auf der Kammer kein kondensierendes Wasser absetzt.
Die Architektur der B&R-Automatisierungslösung
Als Automatisierungslösung kommt das X20-System von B&R mit einer X20CP3586-CPU und einer X20SL8100-SafeLOGIC mit Kabelredundanz sowie eine Kombination aus Safety- und herkömmlichen I/O-Modulen für die Temperatur- und Ventilüberwachung und eine Ankopplung der Turbopumpen zum Einsatz. Das Protokoll OPC UA erlaubte den Anschluss an ein übergeordnetes SCADA (Supervisory Control and Data Acquisition) System.
Durch die Aufteilung der Automatisierungslösung in 6 einzelne Systembereiche konnte ein Teil der Automatisierungskomponenten in einen Maschinenraum neben dem Reinraum verlegt und die Kabelanzahl reduziert werden. Dadurch wird die Anzahl der Komponenten im Reinraum deutlich reduziert, was zur Sauberkeit beiträgt. Im Schaltschrank, der im Reinraum steht, befinden sich neben der Steuerung serielle Schnittstellen, Ethernet-Schnittstellen, Profibus sowie die Auswerteeinheit der Druckmesswerte, die mit einer seriellen Schnittstelle angebunden ist. Die Steuerung selbst ist lüfterfrei und generiert keinen Staub. Darüber hinaus erwiesen sich alle Komponenten als so sauber, dass auf einen Filter im Schaltschrank verzichtet werden konnte. Über ein B&R-Terminal im Reinraum wird das System bedient. Hier werden beispielsweise die Temperaturen eingestellt und Ergebnisse ausgewertet.
Seit Kurzem wird mit dem Unit Test von B&R die Automatisierungslösung bei neuer Implementierung getestet. Programmiert wird in C oder C++, da dies die dominierende Programmiersprache im Institut ist.
Ob sich die Satelliten für den Einsatz im Weltraum eignen, testen die Wissenschaftler mithilfe einer manuellen Thermal-Vakuum-Kammer. Die Steuerung der Kammer übernimmt eine X20-Steuerung sowie weitere X20-Komponenten von B&R.
Zukünftige Laborausrüstungen
„Die Modularität, die Flexibilität und die Echtzeitfähigkeit der Automatisierungslösungen von B&R sind im universitären Umfeld besonders wertvoll“, sagt Severin Oeschger, der an der Uni Bern für die Automatisierung der Thermal-Vakuum-Kammer zuständig ist. „Der zuverlässige Service, die enge Zusammenarbeit bei der Entwicklung und das Interesse an wissenschaftlichen Themen und Forschung waren darüber hinaus entscheidende Faktoren – auch bei anderen Automatisierungsprojekten mit B&R zusammenzuarbeiten.“ Ziel sei es zudem durch einheitliche Architekturen und Lieferanten den Arbeitsaufwand künftig zu minimieren. Am CSH und WP in Bern werden deshalb künftige Erweiterungen oder neue Laboraufbauten wenn möglich mit B&R-Komponenten ausgerüstet.