Der Machland-Damm schützt Menschen, Häuser und Kulturgüter in der Machland-Tiefebene vor den verheerenden Folgen eines Donauhochwassers. Er ist kein statisches Bauwerk, sondern enthält knapp 130 vollautomatische Pump-, Schieber- und Stromversorgungsstationen. Per Ringredundanz vernetzt, erstreckt sich die Anlage über rund 36 km. Sie ist damit eine der größten zusammenhängenden Automatisierungslösungen in Mitteleuropa. Realisiert wurde sie von Electro & Electronic Landsteiner, einem Automatisierungsunternehmen mit viel Erfahrung aus Umwelttechnik-Projekten, unter Verwendung von B&R-Systemen.
Häuser, von denen nur noch die Dächer aus dem Wasser ragen, Retter, die per Boot oder Hubschrauber versuchen, zu den Menschen im Überschwemmungsgebiet vorzudringen. Kein unbekanntes Bild im Machland. Das Tiefland an der Donau zwischen Mauthausen und Grein verdankt seine Fruchtbarkeit nicht zuletzt den häufig auftretenden Hochwassern. Nicht erst seit der verheerenden Überflutung im Jahr 2002, in Folge dessen ganze Dörfer – insgesamt 252 Häuser – an höhere Orte verlegt wurden, gibt es Pläne für einen umfassenden Hochwasserschutz.
Die Planung begann 2 Jahre nach der Flut von 1991 – nach den schlimmen Erfahrungen mit der Jahrhundertflut von 2002 mussten die Pläne jedoch noch einmal gründlich überarbeitet werden. Mit einer Gesamtlänge von rund 36 km ist der 2012 fertiggestellte Machland-Damm Europas größtes Hochwasserschutzprojekt. Das knapp 182 Millionen Euro teure Jahrhundertbauwerk bietet rund 22.000 Menschen Schutz vor weiteren Katastrophen.
Vollautomatisch und hochverfügbar
Der Machland-Damm ist kein statisches Bauwerk. Neben rund 29 km Erddämmen, 7 km – zum Teil mobilen – Schutzmauern sowie einer knapp 9 km langen Flutmulde machen bei Gefahr 32 Absperrbauwerke verbleibende Lücken dicht. Verteilt auf 72 Pumpwerke können 248 Pumpen bei Bedarf insgesamt etwa 50.000 Liter Wasser pro Sekunde von der „falschen“ auf die „richtige“ Seite des Damms fördern. 24 E-Stationen versorgen diese Bauwerke mit der nötigen Energie, insgesamt bis zu 8,8 MW. Im Normalfall werden sie als Trafo-Stationen eingesetzt, bei Netzausfall kommt der Strom aus eigenen Diesel-Aggregaten.
„Diese Anlagen müssen im Alarmfall vollautomatisch ihren Betrieb aufnehmen, und zwar absolut zuverlässig“, sagt Geschäftsführer Anton Wahlmüller. Der Bereich EMSR (Elektrische Mess-, Steuer- und Regelungstechnik) wurde von einem externen Planungsbüro durch Herrn Manfred Brunner 3 Jahre lang begleitet. "Deshalb wurden auch die Pumpen vereinheitlicht und auf eine hohe Einsatzsicherheit ausgelegt." Auch an die Steuerungstechnik stellt die Hochwasserschutzanlage höchste Anforderungen.
Größtes Automatisierungsprojekt
Wie bei öffentlich finanzierten Projekten üblich, wurden sämtliche Gewerke des Machland-Damms EU-weit öffentlich ausgeschrieben. Das Rennen um die elektrische Mess-, Steuer- und Regelungstechnik (EMSR) für alle 8 Baulose machte als Teil einer Arbeitsgemeinschaft mit Maschinen- und Stahlwasserbaufirmen die Electro & Electronic Landsteiner GmbH. Das 1966 in Amstetten gegründete Familienunternehmen fertigt im hauseigenen Schaltanlagenbau Steuer- und Hochstrom-Verteileranlagen sowie typgeprüfte Schaltgerätekombinationen (TSK).
Jahrzehntelange Praxis hat das Unternehmen bei der Ausrüstung von Industrie- und Umweltanlagen mit Elektroinstallation, Mess- und Regeltechnik sowie Prozessleittechnik und Visualisierung. Unter Verwendung fortschrittlicher Technologien entstehen zukunftsweisende und dabei technisch ausgereifte Lösungen mit maximaler Betriebssicherheit. „Trotz unserer großen Erfahrung mit der Materie war der Machland-Damm allein wegen seiner Größe eine Herausforderung“, sagt Franz Reisinger, seit 15 Jahren bei Landsteiner für die Steuerungs- und Leittechnik verantwortlich. „Über beinahe 40 km verteilte Anlagenteile machen ihn zum größten zusammenhängenden Automatisierungsprojekt in der beinahe 50-jährigen Geschichte des Unternehmens.“
Redundant verteilte Intelligenz
Am Standort der Betreibergesellschaft in der Bezirkshauptstadt Perg befindet sich die zentrale Leitwarte. Mit ihr sind sämtliche Anlagenteile über je 2 Anschaltungen an das Telekom-Netz per sicherer VPN-Verbindung verbunden. Als Rückfallebene bei Ausfall beider Leitungen erfolgt die Verbindung alternativ über Mobilfunk. Innerhalb der einzelnen Abschnitte sind alle Stationen über Lichtwellenleiter miteinander verbunden.
Die einzelnen Steuerungen entlang des Damms kommunizieren dabei mit gleichartigen Steuerungen in der Zentrale. Diese übernehmen den Datenaustausch zwischen dem mit 2 Servern redundant aufgebauten Leitrechner und den einzelnen Abschnitten. So stellt der aktive Hochwasserschutz im Machland eine einzige, auf der Steuerungsebene mittels Ringredundanz unterbrechungssicher vernetzte, Anlage mit knapp 130 Controllern dar.
Bewährte dezentrale Steuerungstechnik
Anspruchsvolle Aufgaben haben auch die Steuerungen in den einzelnen Stationen zu bewältigen. Über 100 Ein- und Ausgänge überwachen und vergleichen die Messwerte von redundant ausgeführten Sensoren. Dazu gehören etwa die Pegel der Donau und ihrer Nebenflüsse, Schieberstellungen, Pumpenzustände sowie Alarm-Eingänge und Treibstoffvorräte der Notstromaggregate. Zusätzlich steuern sie diverse Anzeigen an. Auch eine leistungsfähige Niveauregelung läuft auf den örtlichen Steuerungen. Die Verbindung zu den in jeder Station installierten Leistungsmessgeräten sowie zu den Antrieben für Pumpen und Schieber erfolgt über Profibus, die zur Leitsystemebene über TCP/IP.
Untergebracht ist die Steuerungshardware direkt in den einzelnen Schieber-, Pumpen- und Stromversorgungsstationen. Manche davon haben eigene Gebäude, bei anderen erfolgte die Installation in Freiluftschränken. Zu den wesentlichen Kriterien für die Auswahl der Systemkomponenten gehörten insbesondere Kompakt- und Robustheit sowie – angesichts eines möglichen Betriebs mit Notstromversorgung – ein geringer Stromverbrauch. Vom Automatisierungsspezialisten B&R werden Steuerrechner und I/O-Module der kompakten, dezentralen Steuerungsfamilie X20 und als lokale Bedien- und Visualisierungsgeräte das Power Panel 45 mit 5,7" Touch-Display eingesetzt.
Plus bei Technik und Support
Wenn es um Automatisierungssysteme und –komponenten geht, setzt Landsteiner seit vielen Jahren ausschließlich auf B&R. „Speziell das vielseitige X20-System ist nicht nur äußerst kompakt und dabei extrem robust, es hat auch ein kaum zu schlagendes Preis-/Leistungsverhältnis“, erklärt Reisinger. „Zudem stellt die Software Automation Studio in einer einheitlichen Entwicklungsumgebung sämtliche Werkzeuge zur Verfügung, mit denen wir alle Aufgaben – von der Steuerung über die Visualisierung bis hin zur Kommunikation – ohne Brüche als Einheit erstellen und testen können.“
Für die MDB Machland-Damm Betriebs GmbH als Betreiber und Instandhalter der Anlage sprechen noch weitere Kriterien für die Wahl von B&R. „Die Anlage muss viele Jahrzehnte lang zuverlässig funktionieren. Eine Garantie für die Langzeitverfügbarkeit von Geräten und Baugruppen ist uns ebenso wichtig, wie die bekannt gute Betreuung durch B&R," sagt Wahlmüller.
Zukunftssichere Automatisierung
Schutz vor unliebsamen Überraschungen bei Wartung oder Erweiterung bieten B&R-Systeme durch besonders weitreichende Kompatibilitätseigenschaften. „Es muss beim Programmieren nicht darauf geachtet werden, auf welcher CPU das Programm laufen wird“, freut sich Reisinger. „Auch die Frage, über welche Kanäle die Kommunikation erfolgt, muss bei der Erstellung der Software nicht berücksichtigt werden, dazu genügt die Konfiguration des entsprechenden Buskopplers.“ So gestaltete Landsteiner die Software in Kooperation mit B&R mit einem einheitlichen Programm für sämtliche technischen Funktionen in allen Pump- und Schieberstationen. Dazu holt sich jede Steuerung selbsttätig die hinterlegten, stationsspezifischen Parameter.
Weiterentwicklungen, Zusatzfunktionen und Änderungen werden bei Landsteiner programmiert und nach erfolgreichen Tests per Datenfernübertragung in das Hochwasserschutz-System eingespielt. Zur reibungslosen Integration der Änderungen trägt dabei die Möglichkeit bei, in Automation Studio abgeschlossene Programmmodule zu entwickeln. Diese lassen sich dem bestehenden System hinzufügen, ohne das restliche, bereits getestete System komplett neu testen zu müssen.
Die gesamte Software für den Machland-Damm mit allen Aufgaben von Steuerung über Visualisierung bis Kommunikation wird bei Landsteiner in Amstetten mittels Automation Studio als Entwicklungsumgebung erstellt und getestet. Das Einspielen der Programme in die Zielanlage erfolgt per Datenfernübertragung. Zur reibungslosen Integration von Änderungen trägt die Fähigkeit bei, in abgeschlossene Programmmodule zu entwickeln und diese dem bestehenden System hinzuzufügen. Durch die einfache Übertragung der Software auf jede andere SPS von B&R bleibt über Steuerungsgenerationen hinweg die sichere Versorgung mit Ersatz-Hardware erhalten.
"Die Anlage muss viele Jahrzehnte lang zuverlässig funktionieren. Da ist die Langzeitverfügbarkeit von Geräten und Baugruppen ebenso wichtig wie die bekannt gute Betreeung von B&R." Anton Wahlmüller, Geschäftsführer der MDB Machland-Damm Betriebs GmbH
„Das vielseitige X20-System von B&R ist nicht nur äußerst kompakt und dabei extrem robust, es hat auch ein kaum zu schlagendes Preis-/Leistungsverhältnis.“ Franz Reisinger, Verantwortlicher für die Steuerungs- und Leittechnik bei Landsteiner
Bewährungsprobe bestanden
„Wenn die Pegel der Donauzuläufe steigen, erhöht das auch die Spannung hier“, berichtet Wahlmüller. „Dass die wohl größte zusammenhängende X20-Anlage der Welt ihre Aufgabe bestens erfüllt, konnte sie beim Hochwasser 2013 bereits eindrucksvoll unter Beweis stellen.“